Die Wiesn neigt sich dem Ende zu. Ich blicke mit einem lachenden und einem weinenden Auge zurück auf die letzten 14 Tage.
Auf der einen Seite bin ich heilfroh, nicht mehr überall in der Stadt Slalom laufen zu müssen, um schwankenden oder am Boden liegenden Alkoholleichen ausweichen zu müssen. Das Gequetsche in der Ubahn hat ein Ende. Mein Bankkonto wird nun auch endlich wieder geschont. Und die Frage, ob ich mir dieses Jahr endlich ein neues Dirndl zulege oder die Investition in die Zukunft verschiebe, hat sich auch erübrigt.
Auf der anderen Seite bin ich aber auch traurig über das bevorstehende Wiesn-Ende. Denn es ist doch immer wieder eine erlebnisreiche, schöne und fröhliche Zeit mit Freunden, neuen Bekanntschaften aus aller Welt, Schlemmereien und kunterbunten Eindrücken.
Bevor am Sonntag für die nächsten 365 Tage wieder der Normalzustand in München einkehrt, ist es an der Zeit, die bisherige Wiesn 2015 und die Highlights noch einmal Revue passieren zu lassen.
Wie alles begann, oder auch: O’zapft is‘
Wie jedes Jahr begann der ganze Spaß am ersten Wiesn-Samstag um 12:00 Uhr. Da eröffnete ganz traditionell der Münchner Oberbürgermeister Dieter Reiter im Schottenhamel-Festzelt das Oktoberfest mit dem Anstich des ersten Bierfasses und den Worten „O’zapft is‘! Auf eine friedliche Wiesn 2015!“. Nach einem schnellen Prosit auf die Gemütlichkeit und dem obligatorischen „Oans, zwoa, g’suffa!“ ging er auch schon los, der Wiesnwahnsinn!
Trachtenumzug
Meine Wiesn 2015 begann allerdings erst einen Tag später am Sonntag am Stachus in der Münchner Innenstadt. Traditionell präsentieren sich am ersten Wiesnsonntag ab 10:00 Uhr die Trachten- und Schützenvereine und Musikkapellen bei ihrem Festzug quer durch München bis zum Oktoberfestgelände auf der Theresienwiese.
Ursprünglich fand dieser Umzug 1810 zu Ehren der Hochzeit von Kronprinz Ludwig I. und Prinzessin Therese (Namensgeberin für die Theresienwiese) statt. Inzwischen ist der Festzug ein fester Bestandteil des Oktoberfestes und tausende Münchner versammeln sich entlang der 7km langen Strecke, um die ca. 9.000 Teilnehmer zu bewundern.
An mir vorbei zogen prächtig geschmückte Wägen der Münchner Brauereien, in Tracht gekleidete Spielmanns- und Fanfarenzüge, Sport- und Gebirgsschützen aus ganz Deutschland und Europa. Angeführt wurde der Zug vom Münchner Kindl, dem personifizierten Wahrzeichen Münchens. Ich mag diesen Teil der Wiesn so gerne, denn er hat noch etwas sehr ursprüngliches und traditionelles.
Oide Wiesn
Ursprünglich und traditionell geht es auch auf der Oidn Wiesn zu. Für alle Nicht-Bayern, die sich jetzt fragen, was „Oide Wiesn“ bedeutet und ob das womöglich etwas zu essen ist: „oide“ ist bayrisch und bedeutet „alte“. Mit der Oidn Wiesn ist die historische Wiesn gemeint, die ursprünglich als einmalige Aktion zum 200-jährigen Wiesn-Jubiläum im Jahr 2010 gedacht war.
Bisher habe ich mir jedes Jahr ganz fest vorgenommen, endlich auf die Oide Wiesn zu gehen und habe es nie geschafft. Doch dieses Jahr war es dann endlich soweit und ich ließ mich auf dem historisch hergerichteten Festgelände in alte Zeiten zurückversetzen.
Die Oide Wiesn hat einen eigenen Bereich auf dem Oktoberfestgelände. Für 3€ Eintritt gibt es die Wiesn, so wie sie ganz früher einmal war. Das Bier wird noch in Steinkrügen serviert…
… es gibt historische Fahrgeschäfte…
… und im Festzelt „Tradition“ wird, wie der Name schon vermuten lässt, Brauchtum ganz groß geschrieben: Blasmusik, Goaßlschnalzer, Schuhplattler, Volkstanz und noch vieles mehr wird geboten.
Daneben gibt es das Musikantenzelt „Herzkasperl“, ein Museumszelt mit einer Schiffsschaukel, ein Marionettentheater und, und, und.
Besonders beliebt ist die Oide Wiesn bei Familien, weil es hier etwas gemütlicher und traditioneller zugeht, als auf der normalen Wiesn. Mit dem großen Erfolg, den die „Oide Wiesn“ feierte, hatte wohl niemand so wirklich gerechnet und so wurde aus einer einmaligen Veranstaltung ein inzwischen fester Bestandteil des Oktoberfestes.
Nach einem gemütlichen Mittag auf der Oidn Wiesn bei strahlendem Sonnenschein wurde es Zeit weiter zu ziehen und sich ins Getümmel der „normalen“ Wiesn zu stürzen.
Riesenrad
Beim Verlassen der Oidn Wiesn steht man gleich vor einem der Highlights auf dem Oktoberfest: dem Riesenrad. Es gibt wohl nicht viele Dinge auf der Wiesn, die romantisch sind. Aber eine Fahrt im Riesenrad zählt definitiv dazu.
Von den Kabinen in 50m Höhe über der Theresienwiese hat man einen grandiosen Ausblick auf die ganze Stadt und kann das bunte Treiben auf dem Festgelände von oben betrachten. Bei Tag und wenn Föhn ist sieht man sogar die Berge. Am Abend blickt man auf die bunten Lichter auf der Theresienwiese und den Lichterglanz der ganzen Stadt. Wer Höhenangst hat und nicht runterschauen mag, busselt einfach. So schee und so romantisch! 🙂
Kettenkarussell
Ach ja, da werden Kindheitserinnerungen wach! Neben der Schaukel auf dem Spielplatz war das Kettenkarussell die erste „Flugerfahrung“ meines Lebens.
Inzwischen ist es eines meiner liebsten Fotomotive. Allerdings mit einem Sicherheitsabstand und ohne selber mitzufahren, denn aus irgendeinem unerfindlichen Grund wird mir inzwischen ziemlich übel bei den schnellen Drehungen…
Lebkuchenherzl
Was wäre die Wiesn ohne die farbenfrohen, mit romantischen Texten, wie z.B. „Weilst der Wahnsinn bist für mi“ oder „Schatzerl i liab di so“ verzierten Lebkuchenherzen? Auf jeden Fall eine Spur grauer und langweiliger!
Ihr dürft jetzt gleich ein Mitleidstränchen für mich verdrücken, denn ich habe noch niiiiie ein Wiesnherz geschenkt bekommen! Ziemlich traurig, was? Meine Postadresse findet ihr übrigens im Impressum. Hahaha.
Wilde Maus
Die Wilde Maus ist die älteste Achterbahn auf dem Oktoberfest und eines meiner persönlichen Wiesn-Highlights. Die Tradition besagt, dass es Pflicht ist, mindestens einmal pro Wiesn mit der Wilden Maus zu fahren. An diese selbstaufgestellte Regel halte ich mich sehr konsequent.
Loopings gibt es in der Wilden Maus keine, dafür aber hohe Geschwindigkeiten und kurz geschnittene Kurven. Die haben es in sich, denn man wird ruckartig hin- und hergeschleudert.
Mein Andenken an die Wilde Maus sind alljährlich faustgroße blaue Flecken an den Oberschenkeln. Wer also Angst um sein Aussehen hat, oder kurz nach der Fahrt wichtige Termine im Bikini oder Minirock zu absolvieren hat, sollte lieber auf die Fahrt verzichten. Das wäre allerdings sehr, sehr schade, denn die Wilde Maus macht irre viel Spaß!
Festzelt
Nach dem Besuch auf der Oidn Wiesn darf natürlich die „normale Wiesn“ nicht fehlen. Während es auf der Oidn Wiesn etwas gemütlicher und gesetzter zugeht, tanzen hier in den Festzelten spätestens bei Helene Fischers „Atemlos“ alle auf den Bänken und grölen den Refrain mit (den restlichen Text kennt erfahrungsgemäß niemand).
Eines meiner Lieblingszelte ist das Schützenfestzelt, weil ich da meine schönsten Wiesnerlebnisse hatte. Aber auch die anderen Zelte sind wunderschön geschmückt und jedes für sich hat seinen ganz eigenen Charme.
Ob blau-weiß in der Ochsenbraterei…
… im Lichterglanz im Schottenhamel…
… oder unter dem blau-weißen Himmel der Bayern im Hacker-Pschorr- …
… gefeiert, getrunken, geschlemmt und gebusselt wird überall.
Teufelsrad
Ganz zum Schluss kommt das Highlight eines jeden Oktoberfestbesuches: das Teufelsrad. Das gibt es schon seit 1910. Es handelt es sich dabei um ein Geschicklichkeitsspiel.
Auf einer großen Drehscheibe mit ca. 5m Durchmesser können alle Mutigen mitdrehen. Mit Hilfsmitteln, wie z.B. Bällen und Seilen, versucht der „Rekommandeur“ Werner Simmerl alle diejenigen von der Scheibe zu holen, die der Fliehkraft trotzen. Einen bösen bayrischen Spruch gibt’s noch obendrauf. Allzu empfindlich sollte man also nicht sein.
Gewonnen hat am Ende der, der bis zuletzt auf der Drehscheibe verbleibt. Eine riesen Wiesngaudi, vor allem für die Zuschauer. Denn Schadenfreude ist ja bekanntlich die schönste Freude.
Wiesn für dahoam!
Irgendwann findet alles Schöne sein Ende. Damit ihr aber nach 16 Tagen Wiesngaudi zumindest kulinarisch nichts missen müsst, ist pünktlich zur Wiesn 2015 das „Oktoberfest Kochbuch“ erschienen.
Denn was viele vergessen: die Wiesn besteht nicht nur aus Bier trinken. Man kann auch wunderbar schlemmen auf dem Oktoberfest: Kaiserschmarrn, Liebesäpfel, Auszogne, Knödel, Steckerlfisch, Schweinshaxe, Wurstsalat, Kasspatzen, und, und, und. Auf der Wiesn ist die ganze Bandbreite der bayrischen Küche vertreten.
Geschrieben hat das Kochbuch die Köchin, Foodstylistin und Autorin Julia Skrowenek, die eine echte Wiesn-Expertin ist. Seit 20 Jahren arbeitet sie auf dem Oktoberfest als Bedienung im Hofbräuhaus.
Neben zahlreichen Wiesn-Schmankerln gibt es wertvolle Tipps rund um das Oktoberfest, wie z.B. auf welche Seite die Dirndlschleife gehört, wenn man auf der Suche nach dem Traumprinzen ist und ihn nicht verschrecken will. Oder in welches Zelt man (lieber nicht) gehen sollte.
Alles im allem ein sehr liebevoll gestaltetes Buch für Wiesnliebhaber und Freunde der bayrischen Küche, dass uns die Wartezeit auf das nächste Jahr verschönert. Denn nach der Wiesn ist ja bekanntlich vor der Wiesn!
Falls ihr jetzt Lust auf weitere Wiesn-Impressionen bekommen habt, dann schaut doch mal bei der Blogparade „O’zapft is'“ von muenchen.de vorbei.